Haushaltsrede 2023

Sehr geehrte Anwesende,

die Haushaltslage unserer Stadt Erftstadt ist äußerst schwierig. Wir befinden uns im letzten Jahr der Haushaltssicherung. Es wäre jetzt sehr leicht, in die Oppositionsrolle zu verfallen. Aber wen bestrafen wir damit? Arbeiten wir uns an unseren politischen Gegnern ab? Verfallen wir ins Lagerdenken? Ist das unsere Aufgabe? Oder ist unsere Aufgabe viel eher im Sinne der Bürger*innen Erftstadts zu entscheiden? Was würde passieren, wenn wir diesen Haushalt einfach scheitern lassen?

Das würde bedeuten, dass wir in den Nothaushalt abgleiten. Ab dann entscheidet die Kommunalaufsicht, was wir ausgeben. Das gefährdet wichtige Projekte, wie beispielsweise die Zuschüsse von Vereinen im Bereich Kultur und Jugend, auch unsere Ferienspiele wären in Gefahr. Auch würden sich nur diejenigen Investitionen durchsetzen, die starke Gönner von außen haben. Ein Sportplatz neben einem starken Gewerbe bekäme ausreichend Spenden, im Schatten der Hochhäuser würde der Bolzplatz Kantstraße dagegen aber leer ausgehen.

Städtische Entwicklung ist unsere Aufgabe und Daseinsvorsorge, sie ist soziale Gerechtigkeit. Im Nothaushalt wird diese Gerechtigkeit auf das Prinzip Überleben gekürzt. Das dürfen wir nicht zulassen.

Leider müssen wir feststellen, dass die Vorbereitung des Haushalts durch die Verwaltung katastrophal war. Zu spät, zu schlecht kommentiert, Gebührenerhöhungen, ohne Politik und Bürgerschaft mitzunehmen – So geht es nicht!

Über Jahrzehnte wurden Gebühren nicht angepasst. Just zum letzten Jahr der Haushaltssicherung, in Inflation und Rezession, hielt es die Verwaltung für eine gute Idee, massive Erhöhungspläne eines externen Unternehmens einzupreisen, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Damit duckt sich die Verwaltungsspitze weg und schiebt die Verantwortung auf die Politik ab, die den Karren kurz vor der Sommerpause aus dem Dreck ziehen muss.

Besonders deutlich sah man dies beim zentralen Thema KiTa- und OGS-Beiträge. Auch hier tat die Verwaltungsspitze unwissend und zeigte auf IMAKA. Die im Haushalt eingeplanten und von der Bürgermeisterin selbst in Ihrer Haushaltsrede erwähnten massiven Erhöhungen im KiTa-Beitragsbereich, insbesondere für Kinder unter drei Jahren und Familien mit mehreren Kindern, wären nicht tragbar gewesen. Als Grüne konnten wir diesem Drama nicht tatenlos zusehen und haben gemeinsam mit der CDU einen deutlich abgeschwächten Vorschlag erarbeitet. Dies ermöglicht leistbare Beiträge für Eltern, ohne den Hebesatz der Grundsteuer noch weiter in die Höhe zu treiben und alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer finanziellen Situation, zusätzlich zu belasten.

Wenn wir über Fehler reden, müssen wir aber auch über die großen Fehler der Stadtentwicklung reden. Diese Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht.

Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Der Versuch, jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger gleichmäßig zufriedenzustellen, hat Erftstadt als Flächenkommune in eine quasi unbezahlbare Infrastruktur getrieben. Wir wollen alle Bürger:innen zufriedenstellen, aber wir müssen auch Kompromisse finden.

Wir müssen stärker zusammenarbeiten – nicht nur zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft, sondern auch innerhalb der Bürgerschaft selbst. Vereine, die bereits jetzt mit Nachwuchsmangel kämpfen, sollten sich zusammenschließen. Sportplätze und Vereinshäuser sollten gemeinsam genutzt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der SC Erftstadt Ville, in dem zwei Vereine fusioniert sind und eine gemeinsame Anlage planen, die nicht nur dem Fußball, sondern auch dem Breitensport dient. Solche Projekte benötigen wir!

Leider stehen wir erst am Anfang dieses Prozesses, aber wir sind entschlossen, ihn voranzutreiben. Wir benötigen endlich neue Zuschussrichtlinien für Kultur- und Sportvereine, sowie eine gezieltere Stadtentwicklung. Mehrzweckanlagen und Mehrgenerationenquartiere sind notwendig, insbesondere angesichts der demographischen Entwicklung unserer Stadt. Dazu gehört ein Wohnungsbau, der sozial und ökologisch ist. Unsere Bürgerschaft braucht bezahlbaren Wohnraum und wir müssen nachhaltig mit unseren Flächen umgehen.

Gut sind Ansiedlungen wie der Ville Campus und perspektivisch die TH Köln. Sie bringen neue Menschen/Ideen und Schwung in unsere Stadt.

Diesen Menschen müssen wir ein Angebot machen. Mit modernem Einzelhandel und Gastronomie.

Dem strukturellen Defizit in den Stadtfinanzen wird das allein aber nicht helfen. Auch Gewerbe wird gebraucht. Dazu wünschen wir uns innovative Gewerbeansiedlungen in nachhaltigen Gewerbegebieten. Was wir nicht mehr brauchen, sind riesige Hallen, die Flächen versiegeln und keine Gewerbesteuer in die Stadt bringen.

Wir müssen in der Stadtentwicklung besser priorisieren. Es hilft uns nichts, wenn wir Konzepte schreiben, falsche Erwartungen wecken und Luftschlösser bauen. In Zeiten von Fachkräftemangel im technischen Dezernat müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, damit wir endlich in die Umsetzung kommen. Das reduziert nicht nur Frust, sondern auch Ausgaben.

Statt ewige Debatten zu führen, müssen wir bei zentralen Punkten endlich Entscheidungen treffen – zum Beispiel beim Freibad Lechenich!

Wir begrüßen ausdrücklich die durch die schwarz-grüne Landesregierung veröffentlichte Altschuldenregelung – sie ist ein Ausweg für die Schuldenberge der Stadt.

Wir machen uns weiterhin stark auf Landesebene, wenn es um die Refinanzierung von Pflichtaufgaben, wie KiTa, Geflüchtetenunterbringung und Mobilität geht. Neben dem Land sehen wir auch den Kreis in der Pflicht – wir fordern bspw. eine Lösung für den Schnellbus, der uns derzeit mehr Kosten als Nutzen bringt.

Wir können aber nicht immer nur nach oben schauen, um unsere Probleme zu lösen. Auch das wäre Wegducken und Verantwortung scheuen. Wir als Stadt Erftstadt müssen handeln und konsequent und auch gegen Widerstände eine strukturierte Stadtentwicklung vorantreiben.

Wir können und dürfen nicht langfristig nur Gebühren und Steuern erhöhen. Die Bürgerschaft ist jetzt schon durch Inflation und Krisen am Rande der finanziellen Belastung.

Denn Krisen werden nicht abreißen. Neben Kriegen und den Menschen, die vor ihnen flüchten, wird sich die Klimakrise in den kommenden Jahren umso stärker zeigen. Trockene Böden, Wassermangel, steigende Lebensmittelpreise und Klimaflüchtlinge werden bald zum Alltag gehören. Auch deswegen ist es wichtig, dass das Klimaschutzkonzept weitergeführt und ein Klimaanpassungskonzept erstellt wird. Unser Handeln muss nachhaltig sein, nicht nur finanziell, sondern auch in Hinblick auf die Ressourcen unseres Planeten.

Denn was passiert, wenn wir uns nicht auf den Weg zu mehr Klimaschutz machen, haben wir 2021 gesehen. Auch deswegen ist bei aller Stadtentwicklung der Hochwasserschutz wichtig. Weniger Versiegelung, mehr Begrünung und alternative Energieerzeugung für weniger CO2. Gut, dass es zumindest der PV-Ausbau auf städtischen Gebäuden in den aktuellen Haushalt geschafft hat. Wir freuen uns auch über neue Planungsansätze, wie den Bau der Donatusmensa: Begrünte Dächer, Energieeffizienz und wenig Versiegelung. Warum ist das erst jetzt möglich und warum hat die Stadt jenseits der Erft so ein abschreckendes Sanierungsbeispiel geschaffen?

Aber es reicht nicht nur, auf die Stadt zu zeigen. Alle sind aufgerufen – jede Bürgerin und jeder Bürger, umzudenken!

Wir brauchen mehr “Stauden statt Schottergärten”, mehr Grünflächen und Bäume und eine echte Wärmewende.

Dies trägt nicht nur zur globalen Klimaverbesserung, sondern auch zur Abkühlung des Stadtklimas bei.

Der aktuelle Haushalt ist schwierig. Er wurde schlecht vorbereitet, zu spät eingereicht und hatte inakzeptable Gebührenerhöhungen. Es war sehr verführerisch, diesen einfach abzulehnen. Aber die Stadt wäre sonst in den Nothaushalt gerutscht und mit den strukturellen Defiziten irgendwann in den Händen eines Sparkommissars gelandet. Bevor dieser das Zepter übernimmt und noch mehr Erhöhungen beschließt, ist es besser, dass wir als gewählte Vertreterinnen und Vertreter weiter handlungsfähig bleiben. Wir sind Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und wir sollten konstruktive Vorschläge machen und mit unserer Bevölkerung besprechen.

In den Haushaltsberatungen der letzten Monate haben wir genau dies getan. Dank uns sind die KiTa-Erhöhungen nicht so schlimm gekommen wie geplant. Auch bei der Musikschule wird es weiterhin bezahlbaren Instrumentenunterricht geben.

Machen wir es konkret: Statt 1,75 Mio Mehrbelastung bei der Grundsteuer B sind es 1,35 Mio. Die Belastungen im Kita und OGS-Bereich werden von 650.000€ auf 178.000€ reduziert. Auch die Erhöhungen in der Musikschule sind weit niedriger als geplant. So drohte der Musikschulgemeinde eine Mehrbelastung von 200.000€. Mit dem jetzigen Stand sind dies nur noch etwa 45.000€.

Natürlich tun alle Erhöhungen weh. Wir sind trotzdem froh, dass wir das Schlimmste verhindern konnten und die Belastungen gleichmäßiger verteilt sind.

Wir haben uns die Entscheidung heute nicht einfach gemacht. Wir müssen handeln und unsere Stadt auf stabile Beine stellen. Und wir müssen dies zusammen erarbeiten, denn es ist unsere gemeinsame Verantwortung. Es ist das, was die Bürgerinnen und Bürger zurecht von uns erwarten. Deswegen laden wir ausdrücklich alle Fraktionen und alle Bürgerinnen und Bürger ein, mit uns in Dialog zu gehen. Grundlage dafür ist aber, dass wir handlungsfähig bleiben und nicht in den Nothaushalt, am Ende geleitet durch den Sparkommissar, gleiten.

Daher werden wir dem Haushalt 2023 heute zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Stephanie Bethmann, Fraktion B90/GRÜNE

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