Menschen mit Behinderung in der Pandemie

Am Mittwoch, dem 17.02.2021, fand ein vom Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Berliner Fraktion) initiiertes Online-Fachgespräch zum Thema „Menschen mit Behinderung in der Pandemie“ unter Mitwirkung von Fatoş Topaç, Corinna Rüffer, Raul Krauthausen sowie zahlreichen interessierten und betroffenen Menschen statt.

Die unterschiedlichen Arten von Behinderung sind vielfältig. Genauso vielfältig sind die momentanen Einschränkungen und Ängste von Menschen mit Behinderung. Für alle gemeinsam kann aber festgehalten werden: Die Lage für diese Menschen und auch ihrer Angehörigen während der Corona-Pandemie ist mehr als desolat. Die sowieso schon viel zu zaghaften Inklusionsbemühungen nach der UN-Behindertenrechtskonvention vor rund zehn Jahren nehmen wieder deutlich ab. Menschen mit Behinderung, die zuhause und nicht in einem Heim leben sowie deren Angehörige bzw. Assistenzen wurden in den Impf- und Testkonzepten einfach vergessen. Relevante Informationen rund um das Thema Corona werden selten bis gar nicht in Gebärdensprache und leichter Sprache übersetzt und machen eine Teilhabe kaum möglich. In vielen Impfzentren sind Gebärdendolmetscher überhaupt nicht vorgesehen. Zusätzlich sind gehörlose Menschen durch das Tragen von Masken von der Kommunikation ausgeschlossen. Viele Menschen mit Behinderung oder mit einer ernsten chronischen Erkrankung befinden sich schon seit Monaten in Selbstisolation aus Angst vor einer für sie lebensgefährlichen Ansteckung; der Gedanke, in ein Krankenhaus zu müssen und damit einer erhöhten Ansteckungsgefahr sowie einer möglichen Triage zu unterliegen, ist für viele unerträglich. Wichtige Therapien, die für manche überlebenswichtig sind, aber auch Beratungen und Eingliederungsangebote finden kaum bis gar nicht statt.

Schüler und Schülerinnen an Förderschulen sind mehrbelastet, da diese Schulen meist länger geschlossen waren bzw. sind als Regelschulen und die besonderen Bedürfnisse der Kinder nicht immer über digitales Lernen (sofern es funktioniert) aufgefangen werden können. Auch dürfen nicht immer die eigentlich notwendigen Schulbegleitungen ihre Schützlinge während des Homeschoolings begleiten.

Waren WfbM (Werkstätten für behinderte Menschen) im ersten Lockdown weitestgehend geschlossen, sind sie aktuell geöffnet und die dort arbeitenden Menschen einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Gleichzeitig sind die Menschen von Lohnkürzungen von bis zu 50 % eines ohnehin schon ausbeutenden Entgelts weit unter dem Mindestlohn betroffen – begründet durch Einnahmeverluste der WfbMs, obwohl in den letzten Jahren ein jährlicher Gesamtumsatz von 8 Milliarden Euro erwirtschaftet wurde. 

Alle Beteiligten sind sich einig, dass seit der ersten Coronawelle vieles an Konzepten und Strategien verschlafen wurde sowie viele Menschen mit Behinderung und deren Angehörige zwangsweise auf sich selbst gestellt sind und deutlich an ihre Grenzen stoßen.Das ist für alle ein unzumutbarer Zustand, der sich dringend ändern muss.

Laut UN-Behindertenrechtskonvention ist die uneingeschränkte Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben ein Menschenrecht und doch werden Menschen mit Behinderung immer wieder in die Position des Bittstellers gedrängt.

Es ist Zeit, dass alle Betroffenen, ihre Angehörigen, Einrichtungen und Fachverbände laut werden.
Sehr laut!

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