Haushaltsrede 2015

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren:

  • Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen können dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf für  2015 nicht zustimmen!
  • Der Entwurf zeigt keine ausreichend nachhaltigen Ansätze
  • die Neuverschuldung für 2015 ist unverändert hoch mit weiteren 9 Mio Euro
  • Wir wollen stattdessen durch strukturelle Veränderungen zu einem nachhaltigen Haushalt kommen, damit der Ausgleich in 2022 möglich wird!

Bildlich gesprochen: Wenn ich den Wald erhalten will, dürfen immer nur so viele Bäume gefällt werden, wie im gleichen Zeitraum nachwachsen können – so bleibt das „System Wald“ erhalten.

Wir möchten hiermit unseren Ansatz nochmals verdeutlichen:

Wir alle wissen: Die Haushaltslage ist schlecht und sie verschlechtert sich unaufhörlich weiter!

Wir haben bereits jetzt eine Gesamtverschuldung – die Eigenbetriebe mit eingerechnet – von  über 160 Mio. EUR.

Rechnet man die Pensionsrückstellungen (51 Mio) hinzu, sind es sogar mehr als 210 Mio. EUR!

Der Haushalt für 2015 schließt mit einem Defizit von mehr als 9 Mio. Euro ab. Darin sind bereits geplante Steuererhöhungen von etwas mehr als 3 Mio Euro einberechnet, ohne die sich das Defizit auf ca. 12 Mio Euro beliefe. Das verdeutlicht die dramatische Situation, in der wir uns grundsätzlich befinden.

Auch für die kommenden Jahre bleibt die Prognose für die finanzielle Situation äußerst kritisch, so dass der angestrebte Haushaltsausgleich frühestens 2022 erreicht werden kann, und auch das steht auf wackligen Beinen.

Daraus resultiert, dass die Ergebnisdefizite das Eigenkapital massiv verbrauchen.

Darüber hinaus ist der Bedarf an Liquiditätskrediten auf inzwischen 50 Mio. Euro angestiegen, was wiederum die Finanzlage unter Druck setzt – auch wenn durch das zur Zeit günstige Zinsniveau etwas Druck aus dem Kessel genommen werden konnte.

Wir sind in eine Situation geraten, in der wir eigentlich nur noch den Mangel verwalten können – ein unhaltbarer Zustand!

Um dies noch einmal mit einer weiteren konkreten Zahl zu belegen: die allgemeine Rücklage ist von 144 Mio Euro aus dem Jahre 2011 auf veranschlagte 114 Mio Euro in 2015 gesunken, was einem Substanzverlust von mehr als 20% entspricht- wer würde privat so wirtschaften?

Für uns GRÜNE ist dies eine nicht hinnehmbare Situation – es ist nicht mehr 5 vor Zwölf, sondern eigentlich schon 5 nach Zwölf.

Die politische Reaktion auf diese desaströse Haushaltslage ist für uns bei weitem nicht angemessen. Unsere Forderung lautet deshalb:

  • Die Sanierung der Haushaltsschieflage in Erftstadt muss oberste politische Priorität haben, damit wir wieder gestaltungsfähig werden.

Dies ist unabdingbar angesichts der ambitionierten Aufgabenbereiche, die wir zur Zeit vor uns haben, wie

  • den anstehende Schulentwicklungsplan
  • Den Masterplan Liblar
  • Den Brandschutzbedarfsplan
  • Und die Denkmalbereichssatzung für die Lechenicher Altstadt.

Die reine Genehmigungsfähigkeit der Haushaltssicherung reicht als politisches Ziel nicht aus.

Die Haushaltssteuerung muss unseres Erachtens dringendst nach den Kriterien der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.

Es muss Schluss damit sein, dass wir Jahr für Jahr die Substanz unseres öffentlichen Vermögens aufzehren und damit unsere Kinder und Kindeskinder in Erftstadt zwingen, ihren Gürtel später deutlich enger zu schnallen. Die Bevölkerung muss angesichts der Dramatik der Haushaltslage viel stärker eingebunden und auch permanent informiert werden.

Im Gegensatz zum vorliegenden Haushaltsentwurf verfolgen wir GRÜNE einen anderen  Ansatz:

Wir haben bereits angemerkt und möchten dies hier noch einmal unterstreichen:

Die geplanten Steuererhöhungen, mit einer einmaligen 15%igen Anhebung in 2015 und einer sukzessiven Anhebung um jeweils 3% für die nächsten Jahre bis 2019 über alle 3 Steuerarten hinweg, können die Aufwandssteigerungen ohnehin nicht vollständig kompensieren.

Nicht nur aus diesem Grund sprechen wir uns hiermit nochmals gegen die Anhebung der Gewerbesteuer und Grundsteuer A aus. Insbesondere aber mit der Anhebung der Gewerbesteuer würden wir uns an die Spitze der Steuersätze in NRW katapultieren – und damit zugleich in ganz Deutschland, denn NRW weist schon im Bundesvergleich die höchsten kommunalen Steuersätze aus.

Das konterkariert geradezu unseren Anspruch, Gewerbe in die Stadt holen zu wollen. Genauso sehen wir das für die landwirtschaftlichen Betriebe.

Gleichwohl stimmen wir einer Erhöhung der Grundsteuer B in der geplanten Höhe von 15% zu, dies allerdings nur einmalig, und möchten diese nach 2022 wieder auf das jetzige Niveau absenken.

Wohl wissend, dass der Kämmerer jetzt zusammenzucken wird, wagen wir stattdessen zur Kompensation der demnach nicht mehr zu generierenden Steuereinnahmen einen verschärften Blick in den Gesamtergebnishaushalt:

Vergleichen wir zum Beispiel die durchschnittlichen Ergebnisse der letzten Haushaltsjahre (2010-2013) so fällt auf, dass auf der Ausgabenseite Transferaufwendungen von durchschnittlich 45 Mio. auf knapp 51 Mio. für dieses Jahr recht hoch angesetzt sind- also 6 Mio mehr als im Durchschnitt. Sie entsprechen damit der Hälfte des Gesamtaufwandes des Haushaltes. Wir meinen, dass hier ein gewisser Puffer vorhanden ist, auch wenn speziell in diesem Bereich die Verlustzuweisungen an den Eigenbetrieb Straßen und die erhöhten Ausgaben im Bereich Asyl anfallen.

Und auf der Einnahmenseite fällt auf, dass unter ‚sonstige ordentliche Erträge‘, worunter insbesondere die Erträge aus den Eigenbetrieben verbucht werden, im Vergleich zum Durchschnitt der letzten Jahre 2 Mio Euro weniger angesetzt wurden.

Selbstverständlich nehmen wir zur Kenntnis, dass Erftstadt auch unverschuldet unter enormen Druck geraten ist:

Die erhöhten Aufwendungen im Bereich Asyl belasten den Haushalt zusätzlich. Die damit verbundenen Verpflichtungen stehen aber selbstverständlich nicht zur Disposition, sondern sind für uns alle verbindlich. Die enorme Hilfsbereitschaft in der Erftstädter Bevölkerung bestätigt die Sinnhaftigkeit unser aller Engagement – auch wenn ich hier im Nebensatz wiederholt erwähnen möchte, dass wir GRÜNE einen anderen Weg in der Frage der Unterbringung der Flüchtlinge präferiert hätten, und, wie wir meinen, auch einen kostengünstigeren.

Eine hohe Belastung für den Haushalt stellt auch die gestiegene Kreisumlage dar.

Hier ist auch der Kreis aufgerufen, seine eigenen Sparbemühungen auszuweiten, und die Kommunen zu entlasten.

Genauso bleibt zu hoffen, dass auch Bund und Land zukünftig das Konnexitätsprinzip besser erfüllen, und die Kommunen wieder in den Stand versetzt werden, ihrer

Aufgabenerfüllung nachkommen zu können. Hoffen wir, dass die kürzlich beschlossene Investitionsinitiative des Bundes auch eine spürbare Entlastung für unseren Haushalt bringen wird – ebenso wie die zugesagte Neuverteilung der Finanzen im Länderfinanzausgleich, wonach speziell NRW entlastet werden soll, so dass wiederum die Kommunen auf erhöhte Schlüsselzuweisungen vom Land hoffen können.

Das sind jedoch Einnahmen, die auf das Konto „Prinzip Hoffnung“ verbucht sind und realiter zur Zeit nicht zur Verfügung stehen.

Trotzdem wird dies alleine nicht genügen, unseren Haushalt nachhaltig zu entlasten. Wir müssen unsere eigenen Aufwandspositionen kritisch hinterfragen und neue Konzepte miteinander entwickeln, die langfristig die Ausgaben helfen zu senken.

Erste Schritte dafür sind auf den Weg gebracht:

Allen voran geht es um die Struktur der Eigenbetriebe. Eine beschlossene Untersuchung soll aufzeigen, ob und wie die Eigenbetriebe entweder in den Kernhaushalt zurückgeführt werden können, oder ob die Gründung eines Wirtschaftsbetriebes nach dem Beispiel von Frechen eine mögliche Perspektive darstellen könnte. So hat Frechen eine offensichtlich wirtschaftlich erfolgreiche GmbH nach dem Modell des Public Private Partnership gegründet, in dem ein umfangreiches Portfolio an kommunalen Dienstleistungen gebündelt wurde und dadurch Synergieeffekte generiert werden konnten. Dies zeigt, dass es durchaus interessante Alternativen zur jetzt bestehenden Erftstädter Struktur gibt.

Im Kern stellt sich nämlich die Frage, wie werden die Eigenbetriebe, die ja zu 100% zur Stadt gehören, also auch zu 100% öffentliche Aufgaben wahrnehmen für die Stadt, gesteuert? Bei einer nachhaltigen Haushaltssanierung, die wirklich gelingen soll, können und dürfen 93% des Konzerns nicht außen vor bleiben. Wenn alle Ausgaben des Kernhaushalts richtigerweise auf den Prüfstand gestellt werden, muss dies auch für die Eigenbetriebe gelten!

Bei der Lektüre der Lageberichte der Eigenbetriebe im Haushaltsentwurf fällt übrigens noch etwas anderes auf:

Wenn man das Nettovermögen der Eigenbetriebe – buchhalterisch also das Eigenkapital der Eigenbetriebe – aus deren Bilanzen nimmt, so ergibt sich aus der Bilanz von 2013 eine Summe von 80,2 Mio Euro.

(Stadtwerke: 18,2 Mio. – Straßen: 0,57 Mio. – Immobilien: 61,4 Mio)

In einem stimmigen Zahlenwerk würde man nun annehmen, dass die Eigenbetriebe im Gesamthaushalt dann auch mit diesem Wertansatz von 80,2 Mio. auftauchen würden. Dem ist aber nicht so: Im Kernhaushalt stehen die Eigenbetriebe unter dem Posten Sondervermögen in 2013 mit € 221 Mio. zu Buche. Der Kernhaushalt bewertet die Eigenbetriebe also um rund 140 Mio. Euro HÖHER als die Eigenbetriebe ihren Wert selbst

in ihren eigenen Bilanzen netto ausweisen. Also entweder rechnen sich die Eigenbetriebe arm oder die Stadt rechnet sich reich? Die Erftstädter Bürger und BürgerInnen würden wahrscheinlich gerne wissen, ob der Wertansatz der Eigenbetriebe zutrifft oder der des Kernhaushalts! Dabei geht es auch nicht um Peanuts, sondern um eine Differenz von € 140 Mio.!

Die Fraktion der GRÜNEN fordert insofern den Bürgermeister auf, die Erftstädter Bürger und Bürgerinnen über den „richtigen“ Wertansatz der Eigenbetriebe aufzuklären.

Darüber hinaus gibt es für uns aktuell konkrete Punkte, die im jetzigen Haushalt nicht berücksichtigt sind und die unserer Forderung nach nachhaltigen Ansätzen eher entsprächen:

  • Seit Jahren fordern wir GRÜNEN die Errichtung eines Windparks. Wir sehen darin nicht nur die Chance zur Produktion CO2-freien Stroms, sondern auch die Chance zu nachhaltigen Erträgen. Es ist mittlerweile allerdings zu viel Zeit ergebnislos vergangen, so dass zu befürchten ist, dass Erftstadt diese Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu generieren, unnütz hat verstreichen lassen. Dies wäre wirklich eine vertane Chance !
  • Wir wiederholen hier nochmals unsere Aussage:
    Der Verkauf des Tafelsilbers ist für uns keine Option, den Haushalt zu sanieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen – wie die Schließung der Artothek und der Verkauf von Kunstwerken, die uns noch nicht einmal zur Gänze gehören, die Schließung einer der beiden Stadtbibliotheken – sind weder durchdacht, noch erscheinen sie sinnvoll. Die Verlegung der VHS in die ehemalige Carl-Schurz-Hauptschule ist zum Glück bereits wieder vom Tisch. Ob derartige Maßnahmen überhaupt geeignet sind, den Haushalt zu entlasten, lassen wir dahingestellt. Sie verschlechtern aber unterm Strich die Lebensqualität in Erftstadt, und, was noch fataler ist, sie beschneiden Bildungsangebote.  Das tragen wir nicht mit!
  • Die Schließung städtischer Bäder, die von Vereinen und Schulen intensiv genutzt werden, steht für uns nicht zur Disposition. Allerdings ist der energetische Status zu überprüfen und alternative Versorgungskonzepte (wie die Nutzung geförderter Solarthermieanlagen, oder BHKW) sind zu evaluieren.
  • Der Sanierung des großen Ratssaals haben wir bereits widersprochen. Wir meinen insbesondere die Anschaffung neuer Stühle von 800 Euro / Stück ist völlig unangemessen. Einzig die Erneuerung der Audioanlage ist im Sinne einer Verbesserung der Kommunikation untereinander unstrittig und wird von uns mitgetragen.
  • Ein wichtiges Instrumentarium zur Erreichung eines nachhaltigen Haushalts ist die Erstellung eines Kennzahlensystems. Wir drängen darauf, dass in Abstimmung mit dem RPA ein interkommunal vergleichbares Kennzahlenset entwickelt wird nach der Devise: Die Durchführung eines Benchmarkings beruht auf der Orientierung an den Besten einer vergleichbaren Gruppe! Nur wenn wir uns in den Vergleich mit anderen Kommunen setzen, können wir Ansätze zur Verbesserung unserer Situation erkennen und finden. Ein Kennzahlensystem ist ein wichtiges Instrument zur Planung, Kontrolle und Steuerung des Haushalts.

Unser Ziel ist es, einen sogenannten „Wirkungsorientierten Haushalt“ zu entwickeln. Dies bedeutet, dass wir miteinander klare strategische Ziele beschließen und danach den Haushalt auf Produktebene finanziell entsprechend ausrichten.

Der Effekt dieses Steuerungselementes eines Wirkungsorientierten Haushaltes ist, dass die Wirkung der eingesetzten finanziellen Mittel anhand von direkten Kennzahlen laufend überprüft  werden kann.

Das ist zur Zeit, ohne ein entsprechendes Controlling, nicht möglich.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Haushaltes sind

  • Die Festlegung von klar definierten politischen Zielen
  • Eine transparente Darstellung des Haushalts
  • Die Einbindung der Bürger und BürgerInnen von Beginn an in diesen Prozess

Dies ist nicht unambitioniert, aber möglich. Es wird in zahlreichen Kommunen bereits erfolgreich praktiziert.

Meine Damen und Herren, abschließend möchten wir nochmals festhalten:

Ausgangspunkt unserer vorangegangenen Überlegungen ist die Feststellung, dass die finanzwirtschaftliche Betrachtung  der Haushaltspolitik unserer Stadt aus unserer Sicht in eklatanter Weise das Gebot einer nachhaltigen Haushaltsführung verletzt:

  • unser Nettovermögen, unsere Substanz des öffentlichen Vermögens, sinkt rapide – alleine um € 30 Mio. in den letzten 4 Jahren!
  • unsere Schulden sind mittlerweile auf mindestens mehr als € 200 Mio. angestiegen, mit einer rasanten Zunahme der Liquiditätskredite.
  • der Haushalt benennt keine nachhaltigen Ansätze zur Zielorientierung und Wirkungsorientierung
  • der Haushalt ist, so wie er jetzt vorliegt,  intransparent und in seiner Darstellung nicht geeignet, Schlüsse darüber ziehen zu können, wie man langfristig zur Konsolidierung  gelangen kann Angesichts dieser Situation müssen wir finanzwirtschaftlich von einer tiefgreifenden Haushaltskrise  reden. Dies ist wahrlich schon schlimm genug und wird uns sicherlich noch viele Jahre beschäftigen.

Die Fraktion der GRÜNEN kann dem Haushaltsentwurf insofern nicht zustimmen!

Wir werden nicht akzeptieren, dass strukturelle Haushaltslöcher einfach mit Steuererhöhungen nur vorübergehend aufgefüllt werden. Wir verlangen nachhaltige Lösungen, die in einem offenen Dialog mit den Bürgern und BürgerInnen umgesetzt werden.   

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Marion Sand
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Erftstadt

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