Artenschutz – über Biodiversität und bedrohte Ökosysteme
Biodiversität
Wir alle sind in vielerlei Hinsicht von stabilen Ökosystemen abhängig. Biologische Vielfalt bildet die Grundlage unserer Existenz. Der derzeitige Rückgang der Artenvielfalt stellt uns vor ähnlich große Herausforderungen wie der Klimawandel. Die Vereinten Nationen haben die Weltöffentlichkeit dazu aufgerufen, den Verlust der Artenvielfalt einzudämmen. Obwohl es bereits vielversprechende Projekte gibt, wird in Deutschland insgesamt leider noch zu wenig unternommen. Auch findet das Thema in Teilen der Bevölkerung noch nicht die Beachtung, die es benötigt.
Die Grünen in Erftstadt haben es sich zum Ziel gesetzt Wege zu finden, dem Verlust der Biodiversität in der Region entgegen zu wirken. Dazu hat sich ein Arbeitskreis gebildet, welcher sich sowohl aus Mitgliedern als auch aus interessierten Mitbürger*innen zusammensetzt. Anfang März 2021 tagte der Arbeitskries bereits zur ersten Ideenfindung. Ein wichtiges Ziel ist die Vernetzung von naturbelassenen Flächen und Schutzgebieten. Dies wollen wir durch Schaffung eines „grünen Korridors“ durch Erftstadt ermöglichen.
Das 6. Massenaussterben
Es existieren circa 1,75 Millionen beschriebene Arten auf unserem Planeten. Von knapp 134.000 Arten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN erfassten und untersuchten Arten gelten 37.400 als vom Aussterben bedroht. [1, 2] Ein Großteil der Arten gilt es noch zu erfassen, daher ist davon auszugehen, dass dies nur die Spitze des Eisberges darstellt.
Abbildung 1: Übersicht Rote Liste der IUCN (https://www.iucnredlist.org/)
In Deutschland gelten 28% der Wirbeltiere als bestandsgefährdet. Die Anzahl an Fluginsekten in Deutschland ist seit 1989 um 78% zurückgegangen [3, 4].
Das Artensterben ist so dramatisch wie die Klimakrise!
Wofür brauchen wir Biodiversität?
Ökosysteme brauchen Biodiversität um fundamentale Funktionen zu erfüllen:
- Klimaregulation:
◦ Funktionierende Ökosysteme speichern CO2 und Produzieren Sauerstoff.
◦ Artenreiche subtropische Wälder können bis zu doppelt so viel Kohlenstoff aufnehmen wie Monokulturen [5]
◦ Der Verlust von Ökosystemen verstärkt den Klimawandel. Gleichzeitig bedroht der Klimawandel die Biodiversität. - Gesundheit:
◦ Die Reinheit von Luft und Gewässern ist essenziell für unsere Gesundheit
◦ Bäume und Wälder filtern jährlich mehrere Millionen Tonnen Luftschadstoffe [6]
◦ Eine hohe Biodiversität in Gewässern dient zur Filterung von Schadstoffen und Sedimenten beispielsweise durch eine Vielzahl an Insektenlarven. [7] - Ökonomie:
◦ Biodiversität erhöht die Produktivität von Land- und Forstwirtschaft
◦ Insekten bestäuben ¾ aller Nutzpflanzen → Mehrere hundert Millionen Euro Wirtschaftsleistung jährlich [8]
◦ Eine Vielzahl an Bodenmikroorganismen erhöht die Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen [5]
Bedrohte Biodiversität
Die Verschmutzung und Ausbeutung von Ökosystemen ist die offensichtlichste Bedrohung für die Artenvielfalt. Wir kennen beispielsweise alle die Bilder von Plastikabfällen in den Ozeanen oder haben von Überfischung gehört. Doch auch vor unserer Haustüre wird die Artenvielfalt durch unterschiedliche Faktoren bedroht. Klimaveränderungen setzen vielen Arten zu. Die Schäden an unseren Wäldern als Folge der extremen Trockenheit der letzten Jahre sind nicht zu übersehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Verlust und die Fragmentierung von Lebensräumen. Unterschiedliche Lebensräume stehen im ständigen Austausch von Ressourcen, Nährstoffen und Arten. Diese Wechselwirkungen ermöglichen die Kompensation von ökologischen Schäden [9]. Werden Lebensräume durch menschliche Einflüsse wie z.B. Flächenversiegelung oder intensiver Landwirtschaft mit Monokulturen voneinander abgeschnitten und die Vernetzung gestört führt dies zu verringerter Widerstandsfähigkeit und zu bedrohlicher Instabilität.
Abbildung 2: Fragmentierung von Lebensräumen
Folgen des Biodiversitätsverlustes
Der Verlust der Biodiversität hat ernsthafte Auswirkungen auf die Menschheit. Dabei werden die Folgen des Artensterbens häufig erst mit Jahrzehnten Verzögerung sichtbar [9]. Der aktuelle Schaden lässt sich noch nicht vollständig erfassen, jedoch beeinflusst er unser Leben bereits heute auf vielfältige Weise von denen im Folgenden nur einige Beispiele genannt werden:
- Klima:
Der Klimawandel bedroht die Biodiversität in zahlreichen Lebensräumen. Gleichzeitig führt das Artensterben zu einem Verlust der Resilienz gegenüber Klimaveränderungen. Beispielsweise führen die Wechselwirkungen aus Abholzung und Klimaveränderungen in den tropischen Wäldern Südamerikas zu einem weitflächigen Waldsterben. Selbsterhaltende Kreisläufe führen in Folge dazu, dass sich Dürren und Brände weiter häufen. Die Funktion der Wälder als Kohlenstoffspeicher geht immer weiter verloren [6]. - Land- und Forstwirtschaft:
Der Verlust von Bestäubern und Bodenmikroorganismen führt zu verringerter Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft [10]. Der Verlust von Arten schafft ökologische Nischen, die häufig von anpassungsfähigen Schädlingen gefüllt werden.
Wegen fehlender Co-Evolution, Anpassung und Spezialisierung können auch neu angesiedelte Arten meist keine nützliche Funktion in Lebensräumen übernehmen oder Verluste kompensieren [9]. - Gesundheit:
Neben den direkten Einflüssen des Artensterbens auf die Gesundheit des Menschen besteht auch ein Zusammenhang zwischen dem Artensterben und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Zahlreiche Aspekte spielen dabei eine Rolle. Das Eindringen der Menschen in unberührte Lebensräume fördert beispielsweise den Kontakt zu Wirtsorganismen und damit das Überspringen von Erregern auf den Menschen [6].
Der Verlust von Arten fördert die Ausbreitung einzelner anpassungsfähiger Arten, welche vermehrt mit dem Menschen in Kontakt treten [11]. Beherbergen diese Arten Krankheitserreger wird eine Übertragung auf den Menschen wahrscheinlicher. Eine Pandemie wie wir sie gerade mit SARS-CoV-2 erleben kann eine Folge sein.
Lösungsansätze
Wir können dazu beitragen das 6. Massensterben aufzuhalten oder zu verlangsamen. Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten. Der erste Schritt ist es, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen. Einen großen Einfluss hat unser individuelles Konsumverhalten. Doch auch die Gestaltung unserer Gärten, Straßen und Städte leistet einen Beitrag.
Besonders jedoch ist die Politik gefragt. Auch hier muss klar werden, dass dieses Thema eines der wichtigsten unserer Zeit ist. Von der europäischen bis zur kommunalen Ebene ist jetzt Bereitschaft zum Handeln gefragt.
Was wir brauchen:
- Mehr Schutzgebiete und Biotope sowie deren Vernetzung
- Naturgerechte Land- und Forstwirtschaft
- Ökologische Gestaltung von Städten und Kulturlandschaften
- Flächensparendes Planen und Bauen
- Renaturierung von Gewässern und Feuchtgebieten
- Ende der Verschmutzung von Luft, Boden und Gewässern
- Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
Artenschutz vor Ort
Der auf Initiative der Grünen Erftstadt errichtete Arbeitskreis zum Thema Biodiversität sieht die Vernetzung von Schutzgebieten als einen zentralen Ansatzpunkt zur Verbesserung des Artenschutzes vor Ort an. Auch in Erftstadt schreitet der Flächenverbrauch voran. Naturnahe Flächen verschwinden oder werden voneinander getrennt (Fragmentierung). Ein Lösungsansatz könnte sein, die vorgeschriebenen Ausgleichsflächen für Baugebiete so anzulegen und zu gestalten, dass durch diese eine Vernetzung von Biotopen hergestellt wird.
Als nächster Schritt ist die Einberufung eines runden Tisches vorgesehen, an dem Stadt, Bürger, Vereine und Landwirte die weitere Vorgehensweise diskutieren. Ziel ist es konkrete Projekte zur Vernetzung von Schutzgebieten zu ermöglichen und voranzutreiben.
Quellen [1] https://www.iucnredlist.org [2] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet [3] https://www.bfn.de/themen/rote-liste.html [4] Hallmann CA et. al., PLoS ONE, 2017, More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas [5] https://www.mpg.de/biodiversitaet [6] World Health Organization and Secretariat of the Convention on Biological Diversity, 2015. Connecting global priorities: biodiversity and human health: a state of knowledge review. [7] https://www.bund.net/fluesse-gewaesser/biodiversitaet/ [8] Lippert et al., Ecological Economics, 2020, Revisiting the economic valuation of agricultural losses due to large-scale changes in pollinator populations. [9] Isbell et al., Nature, 2017, Linking the influence and dependence of people on biodiversity across scales [10] Cardinale et al., Nature, 2012, Biodiversity loss and its impact on humanity [11] IPBES Workshop on biodiversity and pandemics, executive summary